Spektakuläre Komplettrüstung aus RUX Gerüst in Hannover
Anzeiger-Hochhaus Hannover
Hannover (ABZ). – „Deutschlands höchstes Kino“ befand sich bis vor kurzem über den Dächern von Hannover in der ursprünglich als Planetarium konzipierten Kuppel des 1928 fertiggestellten „Anzeiger-Hochhauses“. Vorübergehend hat man den Lichtspielsaal aber nach unten in die Schalterhalle verlegt, denn die Kuppel des traditionsreichen Stadtwahrzeichens wird in den nächsten zwei Jahren aufwändig saniert. Großes Kino gab es oben an der Kuppel aber trotzdem, denn die spektakuläre nächtliche Kran-Montage des Multi-Roof-Daches ließen sich zahlreiche Schaulustige nicht entgehen. Gerüstbau Schmiedt aus Kobern-Gondorf bei Koblenz hat sich der Herausforderung gestellt, das Anzeiger-Gebäude komplett einzurüsten und mit einem Wetterschutzdach zu versehen. Gerüstet wurde bis zur Kuppeloberkante mit Variant-Material des Herstellers Scafom-rux – immerhin 54 m hoch, davon die letzten 16m freistehend. Auf diese Konstruktion wurde das Scafom-rux-Multi-Roof-Dachsystem gesetzt – ein auf dem Modulgerüst Ringscaff basierendes, aber für alle gängigen Gerüstsysteme einsetzbares Trägersystem, das wahlweise mit Dachkassetten und/oder Kederplane bestückt werden kann.
Ziel der Einrüstung ist die Schaffung von Arbeitsflächen bzw. Gerüstebenen rund um die Kuppel, um diese sanieren zu können. Da die Kuppel selbst nicht belastet werden darf, wird das Arbeitsgerüst als Hängegerüst ausgebildet, welches von den Dachbindern des Wetterschutzdaches abgehangen wird. Was sich bis dahin trotz allen Aufwandes relativ einfach anhört – Umrüstung, Dach drauf, Hängegerüst dran – wurde durch einige bauseitige Besonderheiten zu einem spannenden und hochkomplexen Gesamtkonstrukt – sorgfältig geplant durch die Fachleute von Schmiedt Gerüstbau und das Schalksmühler Ingenieurbüro Specht.
Komplexe Gerüstgründung
So musste die Gerüstgründung/-stellung an drei voneinander unabhängigen Positionen erfolgen, die zunächst keine Verbindung untereinander zuließen. Die Flanken des Gebäudes werden nämlich durch zwei seitliche Anbauten unterbrochen, und die beiden Eckbereiche der Rückseite werden durch rückseitigen Anbauten getrennt, die nicht belastbar sind und auf denen keine Konstruktion aufgestellt werden durfte. Auch die Nordseite ist über die komplette Länge nicht belastbar, hier bestand zusätzlich die Schwierigkeit, dass sich über die halbe Gebäudeseite ein mit Glasdach versehener Anbau anschließt. Die Gerüstgründung/-stellung erfolgte daher auf der Vorderseite (Ost) über die Gesamtlänge. Die Südwest-Ecke wurde vom Anbau bis zur Ecke (Süd) und dann ein Feld um die Ecke bis zu den auf der Rückseite (West) anschließenden Anbauten vorgenommen. Der auf der Nordseite anschließende Bau mit dem Glasdach wurde zunächst mit einer Stahl-Konstruktion überbaut, die dann zum einen als Schutzdach und zum anderen als Gründungsebene für das Gerüst diente. Die Gründung erfolgte hier bereits in einer Höhe von ca. 12 m, was die Materialzuführung über die angrenzenden Gebäude hinweg weiter erschwerte. Hierfür kamen firmeneigene Kranfahrzeuge mit Ausladungen in Höhe bzw. Weite von rd. 55 m zum Einsatz.
Die nordwestliche und südwestliche Ecke wurde in einer Höhe von rd. 22 m mittels einer 6 m hohen Gerüstbrücke verbunden, die aus zunächst drei einzelnen Gitterträgerbrücken bestand. Diese bestanden aus am Boden vormontierten Gerüstetagen von je 2 m Höhe und ca. 25 m Länge. In diese wurden jeweils 1 m hohe Gitterträger eingebaut mit zusätzlicher Aussteifung im Ober- und Untergurt; die Gerüstetagen selbst wurden zusätzlich über Horizontal- und Vertikaldiagonalen sowie Kopfdiagonalen in sämtlichen Feldern bzw. Stielreihen ausgesteift. Die drei Brücken wiegen jeweils 3,5 t. Beim Einhub der untersten Brücke mussten am Nordwest-Auflager genau zwei Stiele und am Südwest-Auflager genau vier Stiele getroffen werden. Hierfür musste sowohl der Abstand zwischen den Auflagergerüsten genau passen, was aber erst in der Höhe von 22 m kontrolliert werden konnte, und die Höhen der Auflagergerüste mussten gleich sein, was vorab nicht kontrolliert werden konnte. Bei den beiden anderen Brücken bestand die Herausforderung darin, dass nun nicht mehr nur die sechs Auflagerstiele genau passen mussten, sondern hier mussten alle 22 Gerüststiele jeweils genau die darunterliegenden Stiele treffen. Dies gelang ausgesprochen gut, obwohl sich die Brücken durch das Anhängen am Kran an den äußeren Enden um ca. 0,5 m durchbogen. Auf den seitlichen Anbauten bzw. Balkonen (Nord und Süd) wurde ebenfalls eine Stahl-Unterkonstruktion montiert, da die Dachflächen nicht ausreichend tragfähig sind; teilweise wurde sogar durch die Gebäudegeschosse hindurch weiter nach unten abgestützt. Direkt oberhalb der Balkone konnte dann zum ersten mal ein Ringschluss – das Verbinden aller einzeln eingerüsteten Seiten – vollzogen werden: Alle Elemente waren nun durch kraft- und formschlüssige Keilschloss-Verbindungen konnektiert. Dank metrischer Gerüst-Abmessungen konnte das ca. 23 x 23m große Objekt komplett systemmaßhaltig umbaut werden.
Ab Oberkante der Attika erfolgte die weitere Gerüst-Montage als freistehende Konstruktion. Hierzu wurden die Giebelseiten (Vorder- und Rückseite) bereits von der Gründung an als 1,5 m breite Gerüstscheiben erstellt, die in der oberen Gebäudehälfte durch einzelne bzw. doppelte Kopfdiagonalen zusätzlich ausgesteift wurden. Die Traufseiten wurden jeweils als 1 m breite Scheibe erstellt, ab Höhe der Balkone wurden zusätzlich ein 2 m breites Gerüst vorgestellt. Dieses wurde dann im Bereich 6 m ober- und unterhalb der Attika durch eine weitere 2 m breite Gerüstscheibe ergänzt (Rucksäcke). Die Gesamttiefe der Traufgerüste betrug mit teilweise drei Scheiben voreinander bis zu 5 m.
Im nächsten Schritt wurden in knapp 50 m Höhe die als Fahrschienen für das Multi-Roof vorgesehenen Stahlträger auf den beiden 1 m breiten Gerüstscheiben montiert. Fünf Multi-Roof-Dachbinder mit je 26 m Länge bei 3,8 t Gewicht wurden auf dem Steintorplatz vor dem Anzeiger-Hochhaus vormontiert, um anschließend per 260-t-Kran an die Absetzposition auf der Rüstung gehievt zu werden. Da der Kran nur in der Mitte der vor dem Gebäude verlaufenden Straße „Goseriede“ stehen konnte, durften die Arbeiten aufgrund der Innenstadtlage nur zwischen 21.00 und 6.00 Uhr stattfinden. Der Kran hob die Binder auf die Fahrschienen in 50m Höhe; hier wurde dann ein Fahrwerk unter die Binder montiert, mit dessen Hilfe sie über das Gebäude hinweg in die Endpostion verschoben wurden. Das Aufsetzen und Verschieben sowie endgültige Positionieren der Dachbinder war innerhalb von nur 5 Std. abgeschlossen, so dass die Straßensperrung pünktlich aufgehoben werden konnte. Auf den Dachbindern wurden passende Kederschienen montiert, in die dann schwere Kederplanen eingezogen wurden.
Christian Schmiedt von Gerüstbau Schmiedt zeigte sich sichtlich zufrieden, nicht nur was die Präzision anging, mit der die Rüstungsarbeiten erfolgten. Zum Einsatz des Multi-Roofs sagte er: „Die Spannweite des Daches stellt nicht unbedingt die eigentliche Herausforderung für das System dar. Vorteilhaft war vielmehr, dass das Dach kein Zugband benötigt, denn dann hätte es nur mit wesentlich höheren Gerüstscheiben über die Kuppel geschoben werden können – und das wäre statisch dann nur sehr aufwändig zu realisieren gewesen . . . wenn überhaupt.“ Die Dachbinder erfahren in nächster Zukunft zusätzliche Belastungen durch die Kuppeleinrüstung selbst, welche als Hängegerüst ausgebildet wird. Die Montage der Kuppelgerüste erfolgt von den über der Kuppel schwebenden Dachbindern nach unten. Die Einrüstung der Kuppel gestaltet sich durch die eiförmige Rundung in der horizontalen sowie in der vertikalen als ausgesprochen anspruchsvoll, wobei das Variant-Material hier seinen Vorteil der stufenlosen Rundrüstung voll ausspielen kann.
Das Dach wird schließlich für die Wintermonate so präpariert, dass die Dachplane von unten beheizt werden kann. Durch die in diesem speziellen Fall anfallende Gesamtbelastung inkl. Hängegerüst darf keine zusätzliche Schneelast auf den Bindern liegen. Ein anderes Schneeräumkonzept wäre nicht möglich, da ansonsten Fußgängerzonen bzw. die Dachflächen der seitlich angebauten Gebäude über die Maßen mit Schnee vom Anzeigerdach belastet worden wären.
In Anerkennung der Leistung seiner Mitarbeiter und aller Beteiligten stellt Christian Schmiedt fest: „Dieses Projekt hat so ziemlich alles vereint, was der ingenieurmäßige Gerüstbau an Herausforderungen zu bieten hat. Und da können alle richtig stolz drauf sein.“ Bevor das Kino wieder in die sanierte Kuppel zurückkehren kann, werden ca. zwei Jahre vergehen, aber mit der ansehnlichen Rüstung aus gut 220 t Material hat das Anzeiger-Hochhaus bis dahin durchaus seine eigenen Schauwerte.