TRBS 2121 war ein vorherrschendes Thema
Bundesfachtagung Gerüstbau
Die Auftragslage im Gerüstbau ist nach wie vor gut und die Versprechungen der Politik auf dem Wohnungsbaugipfel im Herbst 2018 waren vielfältig. Dennoch steht das Gerüstbauer-Handwerk vor vielen Herausforderungen. Vielen Betrieben fehlen die Fachkräfte, um die oft reichlich vorhandenen Aufträge abarbeiten zu können. Gleichzeitig ändern sich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen rasant. Die Neufassung der Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 2121) sorgt für Aufruhr in der Branche. Und welche Chancen, aber auch Risiken birgt die fortschreitende Digitalisierung? Diese und viele weitere Themen prägten die diesjährige Bundesfachtagung Gerüstbau, die kürzlich mit rd. 500 Teilnehmern in Dresden stattfand. Marcus Nachbauer, Präsident des Bundesverbandes Gerüstbau und Bundesinnungsmeister, wies in seiner Rede auf die knapp eine Woche später stattfindende Europawahl hin und appellierte an die Anwesenden, mit ihrer Stimme Europa mitzugestalten. „Entscheidend haben wir uns als Gerüstbauer-Handwerk für die Forderung eingesetzt, die Europäischen Normen für den Mittelstand zu verbessern“, resümiert er die in einer Broschüre der Bundesvereinigung Bauwirtschaft zusammen gefassten Botschaften an die Europäischen Parlamentarier und betont dabei, dass Normen für kleine und mittlere Betriebe praktikabel sein müssen.
Budroweit erläuterte die neue und strengere Fassung der Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 2121), in der steht, wie Betriebe Beschäftigte vor einem Absturz von Gerüsten schützen müssen. Die aktuellen Änderungen sollten die Unternehmer ernst nehmen, riet er: Ab 2020 könnte es andernfalls Bußgelder hageln. Um die Mitgliedsbetriebe über die neue Situation aufzuklären, verteilte der Verband an die Teilnehmer der Versammlung die neue Fach-information „Gefährdungsbeurteilung“ und die überarbeitete Fachregel 1 „Standgerüste als Fassaden- oder Raumgerüste aus vorgefertigten Bauteilen“. Fachregel 4 sei ebenfalls in Überarbeitung und werde bald fertiggestellt sein. „Bis Februar war meine Welt in Ordnung“, kommentierte ein Unternehmer auf der Versammlung die neuen Regeln. Geländer sehe er nicht als Lösung und forderte stattdessen, dass Hersteller ein ganz neues Gerüst entwickeln sollten. Andere Unternehmer allerdings legen großen Wert darauf, ihr Material behalten zu können, antwortete Budroweit.
Auf der bauma seien einige Lösungen von Herstellern zur Einhaltung der neuen Regeln zu sehen gewesen, deren Praktikabilität sich aber noch zeigen müsse, hieß es auf den Mitgliederversammlungen. Auch auf anderen Gebieten sollten die Unternehmer sich um den Schutz der Mitarbeiter kümmern, erläutert Budroweit. So müsse der UV-Schutz besser werden. Grund dafür sei die Anerkennung von „weißem Hautkrebs“ als Berufskrankheit.
Die Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk beschäftigt sich mit der Thematik und hat sich jüngst mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft sowie der IG Bauen-Agrar-Umwelt und weiteren Verbänden zu einer Sozialpartner-Initiative „Umgang mit UV-Strahlung bei Tätigkeiten im Freien“ zusammengeschlossen. Gegenstand der Initiative ist neben der Sensibilisierung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für das Thema UV-Schutz eine den praktischen Umständen der Bauwirtschaft gerecht werdende Umsetzung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).
Andere aktuelle politische Themen wurden in den Redebeiträgen der Gäste behandelt. So sprach der Sächsische Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller über den Wohnungsmarkt. Der sei in Sachsen zweigeteilt: Während es in Dresden und Leipzig eine hohe Nachfrage gebe, gebe es in einigen Städten zwischen Meißen und Pirna 8–12 % Leerstand. „Es gibt ein Recht auf bezahlbaren Wohnraum, aber nicht drauf, für 5 Euro/m² neben dem Zwinger zu wohnen“, betonte Wöller. Es sei zumutbar, mit der S-Bahn zu fahren. Sachsen setze auf den Neubau, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Sozialer Wohnungsbau sei nicht das Mittel der Wahl. Wöller wies darauf hin, dass die Fehlbelegungsquote in Sozialwohnungen bei etwa einem Viertel liege. „Das ist Sozialismus durch die Hintertür“, sagt er.
Der Präsident der Handwerkskammer Sachsen, Dachdeckermeister Dr. Jörg Dittrich sprach dagegen über aktuelle Forderungen der Handwerkskammer in Sachsen wie eine Erhöhung des Meisterbonus. Weiterhin argumentierte er gegen einen Mindestlohn bei Auszubildenden, der derzeit diskutiert wird. „Anstatt uns Wertschätzung zu geben, tritt uns die Politik in den Hintern!“, so Dittrich. Nur wenige Betriebe würden ausbilden. Diese Betriebe sollten von der Politik lieber entlastet werden.
Für die Nachwuchsgewinnung im Gerüstbauer-Handwerk wird derzeit eine Imagekampagne weiterentwickelt. Diese stellte Constanze Steinbüchel vom Atelier Steinbüchel & Partner auf den Versammlungen vor. „Ihr Beruf ist meiner Meinung nach nicht ausreichend bekannt“, sagte sie. Die Kampagne ihrer Werbeagentur soll das ändern.
Als jahrgangsbeste Jungmeister wurden zudem auf den Versammlungen Stefan Polster (HwK Oberfranken), Sascha Warnecke (HwK Dortmund, nicht anwesend) und Tino Zeidler (HwK Dresden) von Frank Dostmann für ihre Leistungen geehrt. Zertifikate über den Abschluss als „Fachfrau im Gerüstbauer-Handwerk“ erhielten Jennifer Dräger, Sabrina Kleeberger, Ines Kohlstedt, Justin-Marie Steinberg und Christina Thora (nicht anwesend).
Im Rahmen der Bundesfachtagung fand auch die ordentliche Mitgliederversammlung des Güteschutzverbands Stahlgerüstbau e. V. am 16. Mai statt. Hier stand die turnusmäßige Wahl des Vorstands sowie des Güteausschusses an. Der bisherige Vorstand wurde einstimmig in seinem Amt bestätigt: Josef Teupe (1. Vorsitzender), Alf Pytlik (2. Vorsitzender) und Udo Roth (Obmann). Auch die Mitglieder des Güteausschusses wurden wiedergewählt: Anita Bones, Hans-Jörg Conrad, Michael Jakubeit, Frank Schimmer und Dietmar Stypa. Neben aktuellen Themen wurde zur Zusammenführung des Güteschutzverbands Stahlgerüstbau e. V. mit dem Bundesverband Gerüstbau e. V. berichtet.
Außerhalb der drei Mitgliederversammlungen gab es bei der Tagung auch Fachvorträge zum Thema Cyber-Sicherheit und eine Diskussion über Unternehmenskultur zwischen Alf Pytlik (APG Gerüstbau GmbH), Jan Brucker (Karl Sikler & Sohn GmbH & Co. KG) und Sandro Rende (Gebr. Rende Gerüstbau GmbH) beim „Talk im Gerüst“ unter der Moderation von Frank Dostmann und Josef Teupe. „Die Teilnehmer stellten ihre Unternehmenswerte und Philosophien sehr persönlich dar und belegten damit, dass es bei diesem Thema kein richtig oder falsch gibt“, beschreibt Dostmann. „Jede Unternehmenskultur hat ihre Berechtigung, wenn sie nachhaltig und authentisch gelebt wird und den individuellen Unternehmenszielen dient.“
Die nächste Bundesfachtagung wird vom 14. bis zum 16. Mai 2020 in Köln stattfinden.